Motto: Die Biologie des Gehirns ist nicht alles – aber ohne sie wäre alles nichts.
Meine Ausflüge über die Definition der Liebe mussten mich zwangsläufig in die Nähe der Biologie bringen. Die italienische Neurobiologin und Professorin für Psychiatrie Donatella Marazziti ist eine der Wissenschaftlerinnen, die skeptisch gegenüber der romantischen Liebe sind. Doch Vorsicht! Sie ist in die Liebe verliebt und tut etwas, woran andere Forscher nicht mal in ihren Albträumen denken würden: Das eigene Leben mit ihren Forschungen zu vergleichen.
Es ist nicht viel, was die italienische Professorin Donatella Marazziti über die Liebe zu sagen weiß, aber das, was sie sagt, ist ein Donnerschlag: Wer sich in den romantischen Aspekten der Liebe verliert, ist psychisch gefährdet.
Um Ihnen dies zu erklären, muss ich ein wenig ausholen: Die Funktionen unseres Gehirns sind nicht einfach „reine“ Prozesse, in denen wir Gedanken entwickeln, sie dann abwägen und schließlich Entscheidungen fällen. Insbesondere unsere Gefühle werden weitgehend von biochemischen Prozessen gesteuert, die im Gehirn angeregt werden und die dann zur Produktion von Botenstoffen (Neuropeptide) führen. Wie die Gehirnfunktion dabei verlaufen, ist noch völlig unbekannt. Man weiß aber, dass sich das Denken, Fühlen und verhalten verändert, wenn diese Stoffe ausgeschüttet werden – und auch, dass sie nicht bei allen Menschen exakt gleiche Reaktionen auslösen.
Wie Sie sicher wissen, wenn sie schon einmal verliebt waren, befinden sich unsere Gedanken, Empfindungen und Handlungen in einem Ausnahmezustand, wenn wir „verliebt sind“. Ohne hier die biologischen Beweise vorzulegen, können wir sagen, dass unser Gehirn dabei „vernebelt wird wie von einer Droge“. Der Volksmund sagt dann: Wir sehen alles wie durch eine rosarote Brille“.
Zurück zu Donatella Marazziti: Sie entdeckte 1996, dass romantisch verliebte Menschen an einer biochemischen Abweichung litten, die auch bei Zwangsstörungen (Zwangsneurosen) auftritt, und sie bewies dies anhand des Serotoninmarkers im Blut der Patienten.
Daraus schloss sie wenig später, was heute als allgemeingültige Erkenntnis gilt: Botenstoffe beeinflussen in der Liebe sehr stark unsere Empfindungen. Sie schreibt dazu: « Die Liebe ist nicht „nur“ das Ergebnis verschiedener molekularer und biologischer Systeme, sondern „auch“. »
Was ergibt sich nun daraus, was über die Biologie hinausgeht?
1. Es ist sinnvoll und förderlich, sich zu verlieben.
Laut Donatella Marazziti beweisen die Forschungen, dass Liebe im Gehirn zwar einen ungewöhnlich hohen Stress erzeugt, dass es aber letztlich förderlich für unser Wohlbefinden ist, sich zu verlieben und Beziehungen einzugehen. Also: Nicht hinterfragen, sondern handeln.
2. Romantische Liebe ist fragwürdig.
Die romantische Liebe wird oftmals aus fragwürdigen Quellen, wie etwa Märchen, Kitschliteratur und Liebesfilmen gespeist. Das ist ein alter Hut. Sie kann aber auch eine biochemische Abweichung sein, vor allem dann, wenn jemand zwanghaft an einer Person hängt und nicht „loslassen“ kann.
3. Liebe erfordert Wachsamkeit.
In der heutigen Gesellschaftsordnung gehen wir davon aus, dass jeder in erster Line für sich selbst verantwortlich ist. Deshalb obliegt es uns selbst, nur für uns Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und vor allem die Bereitschaft zur Veränderung mitzubringen. Man könte auch sagen: Wie müssen uns des „Ausnahmezustands“ bewusst werden, der uns in der Liebe dann und wann befällt.
Für diejenigen, die der Forschung skeptisch gegenüberstehen, noch ein Nachwort der Forscherin von 2012:
Liebe ist immer noch ein großes, wenngleich faszinierend Mysterium, das die Neurowissenschaft erst zu enthüllen beginnt. Wir glauben, dass unser Verständnis für die biologischen Wurzeln niemals das Wunder und das Glücksgefühl zum Verschwinden bringt, das uns erfüllt, wenn wir lieben und geliebt werden. Vielmehr wird es unser Potenzial zu lieben erweitern und unsere sozialen Beziehungen verbessern.
Mein Kommentar: Die Grundlagen der Liebe sind offenbar ein fest programmierter Bestandteil unseres Gehirns, und fraglos dient sie in erster Linie dazu, uns zur Fortpflanzung aufzufordern. Dennoch sehen wir gegenwärtig nicht einmal die Sitze des Eisbergs. Inzwischen gehen viele Forscher damit an die Öffentlichkeit, anhand der Ergebnisse der Magnetresonanztomografie bereits feststellen zu können, welche Prozesse im Hirn stattfinden. Das ist völlig vermessen, weil wir damit nicht feststellen können, in welcher Weise unsere alltäglichen Gedanken von Botenstoffen manipuliert werden können. Die Grundlagen stimmen allerdings: Liebe ist im Ursprung, nicht aber im Ergebnis, eine programmtechnisch gesteuerte biochemische Reaktion.
Der Nachteil der Lehre von Donatella Marazziti besteht vor allem darin, dass ihre Theorien sehr wenig Freunde bei den Menschen finden, die esoterischen und anderen magischen Gedanken anhängen. Dies Menschen wünschen sich, dass Fügungen und Zufälle das Glück herbeirufen, und sie verweigern deshalb, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.